Stolperstein Nr. 25 : Rudolf Jasser

Wer erinnert sich an Rudolf Jasser?
Rudolf-JasserRudolf Jasser, hier 1906 im Alter von 5 Jahren in Rosbach, wo er aufwuchs und wo er vor und nach der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wohnte.

Rudolf Jasser wurde am 2.8.1901 in Rosbach geboren. Er heiratete in Rosbach am 28.4.1933 Irma Leeser geschieden Kaminka, die den siebenjährigen Wolfgang mit in die Ehe brachte. Die kleine Familie wohnte in Irmas Geburtshaus, dem Stammhaus der Familie Leeser, jetzt Rathausstr. 30. Er war Techniker und arbeitete als Installateur in Köln. Seine Frau Irma arbeitete meist zu Hause als Weißnäherin.

Rudolf war evangelisch und Irma jüdisch. Dies war für beide kein Hindernis in der Liebe. Da die Lügenpropaganda der Nazis zu der Zeit schon in vollem Gange war, war die Heirat ein Zeichen dafür, dass Rudolf sehr mutig und charakterfest genug war, den Aufrufen zum Rassenhass zu widerstehen. Er kannte ja in Rosbach viele ehrbare und tüchtige Deutsche jüdischen Glaubens.

Nachdem die Nazis aber ihre unrechten Gesetze zur Ausgrenzung und Entrechtung des jüdischen Teils der Bevölkerung immer weiter trieben, wurde auch das Leben für Rudolf und seine Familie immer schwieriger. Nach den Pogromen, bei denen nicht nur die Synagoge in Brand gesteckt worden war, die jüdischen Männer unrechtmäßig verhaftet und misshandelt, sowie die Wohnungen jüdischer Familien verwüstet worden waren, floh Rudolf mit seiner Familie nach Köln.

Es muss für ihn besonders schlimm gewesen sein, dass wohl ein entfernter Verwandter, der ebenfalls in Rosbach wohnte, ein Haupttäter bei den Pogromen gewesen war und auch bei der Verwüstung seiner Wohnung  beteiligt war. Dieser Verwandte wurde später nach dem Ende der Nazidiktatur als Hauptangeklagter wegen schwerer Brandstiftung und schwerem Landfriedensbruch zu einer Zuchthausstrafe verurteilt.

Nachdem Rudolfs Stiefsohn Wolfgang, der als „Volljude“ galt, mit dem Transport der anderen jüdischen Rosbacher am 20.7.42 von Köln nach Minsk deportiert und dort ermordet worden war, dauerte es nicht mehr lange, bis auch die vorerst verschonten „Mischehen“ von der Deportation bedroht waren.

Bevor es dazu kam, fand Rudolf mit Irma ein Versteck bei seiner Schwester Grete Jasser, die unverheiratet und Krankenschwester war. Sie war Oberin im Rot-Kreuz-Krankenhaus in Idar-Oberstein. Eventuell musste sie für diesen Posten Parteimitglied sein oder zumindest Regimetreue vorspielen. Doch sie hat ihre Schwägerin und ihren Bruder vor den Nazischergen gerettet und soll eventuell auch andere Juden versteckt haben.

„Nach dem Krieg kehrten Rudolf und Irma nach Rosbach zurück und lebten bis zu ihrem Tod 1949 im Stammhaus der Familie von Rudolf Jasser in der Rathausstr. 31. Die beiden wurden auf dem evangelischen Friedhof in Rosbach-Sieg beigesetzt. Mit Rudolfs Schwester Grete zusammen habe ich öfter das Grab gepflegt.“.

„Rudolph Jasser war schwer lungenkrank“ und starb am 9.2.1949 in Waldbröl, vermutlich im Krankenhaus.

Diese Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum Windeck durch Angaben amtlicher Dokumente ergänzt.

Der 25. Stolperstein in Windeck wurde am 29.3.2012 von Gunter Demnig für Rudolf Jasser verlegt. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Gunter Demnig 

Wir bedanken uns bei allen ganz herzlich, die die große Aktion der Stolpersteinverlegung  in diesem Jahr möglich gemacht haben. Dazu gehören in erster Linie Gunter Demnig und die vielen Spender, aber auch der Förderverein der Gedenkstätte, der Rat der Gemeinde Windeck, der Bauhofmitarbeiter, die Verwaltung der Gemeinde Windeck, die Polizei, die für die Sicherheit sorgte, die Presse und alle, die bei der Recherche geholfen haben.  Unser Bürgermeister Jürgen Funke nahm die Schenkung dieser Teile des Gesamtkunstwerks von Gunter Demnig wieder persönlich von den Bürgern entgegen. In diesem Jahr haben sich auch alle drei weiterführenden Schulen in der Gemeinde an dem Projekt beteiligt und Schülergruppen haben sich mit der Geschichte des Naziregimes auseinandergesetzt; Schüler und Schülerinnen haben wie auch viele andere Paten bewegende Texte vorgetragen und Blumen niedergelegt.

Das Zeitzeugenforum Windeck

 

Wer weitere Informationen, Korrekturen oder Fotos zum Leben der Familie Leeser-Kaminka-Jasser oder zu anderen Verfolgten des Naziregimes beisteuern kann, meldet sich bitte bei

Annemarie Röhrig, Tel. 3822                     annemarie.roehrig(at)gmx.de

Raimund Weiffen, Tel. 4687                       Raimund.Weiffen(at)t-online.de

Richard Suhre, Tel. 0160/962 965 03      risu-koeln(at)gmx.de

 

Stolperstein Nr. 6 : Gertrud Simon

Wer erinnert sich an Gertrud Simon?Gertrud Simon 1936

Gertrud Simon, genannt „Trudi“,  wurde am 31.8.1928 in Dattenfeld geboren. Sie wurde Ostern 1935  in der katholischen Volksschule in Dattenfeld eingeschult. „In der Nachbarschaft war sie immer dabei, wenn die Kinder zusammen spielten, ebenso ihre jüngeren Brüder Heinz und Norbert. Es gab zwischen uns Kindern nie Probleme.“

„Gelegentlich wurde Trudi von Schulkameradinnen mit einem Butterbrot versorgt. Im Winter durfte sie in der Schule immer dicht am Ofen sitzen, da sie so fror.“

„Ihre Familie gehörte zu den ärmeren Familien im Dorf. Als die Nationalsozialisten den jüdischen Kindern (ab dem 15.11.1938) verboten, weiter gemeinsam mit nichtjüdischen Kindern in die gleiche Schule zu gehen, fuhr Gertrud per Zug mit ihrem Bruder Heinz  nach Siegburg zur jüdischen Schule.“

„Wenn ich morgens mit dem Zug von Schladern zur Handelsschule fuhr, stiegen in Dattenfeld die jüdischen Kinder von Simons ein, um zur Schule nach Siegburg zu fahren. Irgendwann sah ich sie dann nicht mehr im Zug.“

„Als ich 1941 mit dem Zug mittags aus der Schule von Eitorf nach Hause fuhr, war Trudi immer mit im Zug; sie kam aus Siegburg und fuhr weiter nach Rosbach. Trudi trug den Judenstern.“

1941 musste Gertrud mit ihrer Familie aus der Wohnung in Dattenfeld ausziehen, weil Menschen jüdischen Glaubens nach einer Verordnung des Naziregimes nicht mehr in Häusern mit nichtjüdischen Menschen zusammen wohnen durften. So verlor Gertrud nach ihren Klassenkameraden auch ihre Freunde und Freundinnen aus der Nachbarschaft. Sie musste mit ihrer Familie und mit der Familie Blumenthal in das kleine Haus bei Seligmanns in der Bergstr. einziehen.

Ab dem 20.6.1942 wurden alle jüdischen Schulen geschlossen, sodass die jüdischen Kinder im Kreis gar nicht mehr zur Schule gehen konnten. Doch die jüdischen Kinder in unserer Gemeinde, die seit 1941 ja alle in Rosbach wohnten, konnten spätestens vom 24.4.1942 nicht mehr nach Siegburg zur Schule fahren, da es Juden von den Nationalsozialisten untersagt worden war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Von da an bis zum 20.6.1942 gingen die jüdischen Kinder, die in Rosbach konzentriert worden waren, eine kurze Weile in die Volksschule in Rosbach.  „Wir waren 1941 beim Lehrer Ries eingeschult worden. Wir können uns daran erinnern, dass dann eine kurze Zeit lang rechts etwas weiter hinten und getrennt von den anderen Kindern einige jüdische Kinder saßen, die in der 1. bis 4. Klasse waren und Judensterne trugen. Wir mussten uns von denen fern halten.“ Das müssten Edith Seligmann, Lothar Simon und Gertruds Bruder Norbert Simon gewesen sein. Die Eltern der jüdischen Kinder hatten wohl auf der Pflicht und dem Recht des Schulbesuchs bestanden, die ja grundsätzlich nicht aufgehoben worden waren. Das Naziregime gaukelte der Bevölkerung ja vor, dass die jüdischen Kinder mit ihren Eltern nur umgesiedelt werden würden und sie dann in ihrer neuen Heimat im Osten Berufe erlernen und ausüben könnten. Wohl um die Bevölkerung nicht misstrauisch gegenüber der Lügenpropaganda zu machen und Aufruhr zu vermeiden, gab man dem Wunsch nach dem Schulbesuch der Eltern für ihre jüdischen Kinder in Rosbach bis zu ihrer geheim geplanten Deportation in den Tod nach. Eingetragen in die Schulrolle wurden die Kinder für die paar Monate Schulbesuch dann aber scheinbar nicht mehr. Ob die älteren jüdischen Kinder in der Zeit in der oberen Klasse waren, ist bisher nicht bekannt.

Am Montag, dem 20.7.1942, wurde Gertrud Simon mit ihren Eltern und den beiden Brüdern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden alle fünf mit einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam nach ca. 87-stündiger Fahrt am 24.7.1942 gegen 6.45 Uhr, pünktlich zum Dienstbeginn des Mordkommandos, in Minsk an. Der Zugführer eines Erschießungskommandos in Minsk notierte in seinem Tätigkeitsbericht „gewissenhaft“: „Am 21., 22.,23.7. werden neue Gruben ausgehoben. Am 24.7. trifft bereits wieder ein Transport mit 1000 Juden aus dem Reich hier ein.“

Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt. Da war Gertrud noch keine 14 Jahre alt.

„In der Zeit stand mein Vater mit Max Seligmann I. (ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Rosbach) bei uns in Dattenfeld am Gartenzaun. Beide Männer waren zusammen Soldat im 1. Weltkrieg gewesen und Max Seligmann sagte traurig und enttäuscht zu meinem Vater: ‚Ja, Heinrich, dafür haben wir damals gestanden“.

Diese Zeitzeugenberichte  wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente. 

Der 6. Stolperstein in Windeck wurde von Gunter Demnig zur Erinnerung an Gertrud Simon am Samstag, dem 17.9.2011, in Dattenfeld, Hauptstr. 128, verlegt. 

Stolperstein Nr. 5 : Julius Simon

Wer erinnert sich an Julius Simon? 

Julius Simon wurde am 14. November 1895 in Rosbach-Hof geboren. Er war Viehhändler wie sein Vater Simon Simon und wie seine Brüder Albert und Ferdinand. Mit seine Frau Irma hatte er in Dattenfeld drei Kinder: Gertrud, Heinz und Norbert.

„Die Familie wohnte im Parterre zur Miete im Haus Lütz, Hauptstr. 128. Handelsvieh konnte er hinter dem Haus in dem gemieteten Stall unterstellen. Weiden für das Vieh unterhielt er dort, wo jetzt die evangelische Kirche steht. Nach dem Schlachten konnte er Fleisch in dem benachbarten Eiskeller kühl lagern.“ Die Familie wurde als ärmlich beschrieben.

Haus in Dattenfeld an der Haupstraße

Haus in Dattenfeld an der Hauptstraße, wie es früher aussah: unten wohnte neben dem Laden die Familie Simon.

„Ich erinnere mich noch, wie 1938 die Nazis aus Rosbach und Dreisel mit einem Wagen kamen und in der Wohnung der Simons das ganze Porzellan zerschlugen. Außerdem haben die Nazis im Hof geschissen und ihre Haufen durch das offene Badezimmerfenster in die Wohnung geworfen. Mein Vater wollte hingehen und den Simons helfen, aber wir hielten ihn aus Angst zurück. Den Julius nahmen sie mit nach Rosbach. Ich habe danach selber furchtbare Angst gehabt und musste wegen Herzbeschwerden zum Arzt.“ Anschließend gingen die Täter in einer Dattenfelder Gastwirtschaft ein Bier trinken.

„Die Nachbarn haben alle für die Juden Porzellan gesammelt, damit sie wieder was hatten.“ Weitere Nachbarn reparierten die Fenster oder stellten sonstiges Mobiliar bereit. „Mein Vater hat sich beim Dreiseler Parteifunktionär der Nationalsozialisten darüber beschwert, was sie den Simons angetan haben. Daraufhin ließen die Nazis meinen Vater aus Schikane nicht mehr über die Dreiseler Brücke zu seiner alten Mutter gehen.“

Julius Simon wurde am 10. November1938 nach Rosbach gebracht, dort mit 6 anderen jüdischen Männern im Spritzenhaus inhaftiert, misshandelt und dann durch das Dorf bis zur brennenden Synagoge getrieben. Sie hatten Schilder bekommen mit der Aufschrift  „1. Schwein, 2. Schwein, etc.“ und mussten diese mit hoch gehobenen Armen vor sich her tragen.  Julius wurde mit den anderen jüdischen Männern noch in der Nacht vom 10. November 1938 mit einem LKW zur Gestapo nach Köln, von dort aus nach Brauweiler und von dort aus ins KZ Dachau gebracht. Er hatte die Häftlingsnummer 28504 und wurde am   22. Dezember 1938 entlassen. Er durfte seiner Arbeit nicht mehr nachgehen, sondern musste Zwangsarbeit bei den Wester-Werken in Niederpleis verrichten. 1941 wurde die Familie Simon aus ihrer Wohnung nach Rosbach ausgewiesen und musste bei Max Seligmann in der Bergstraße 9 einziehen.

Am Montag, dem 20. Juli 1942, wurde Julius Simon mit seiner Frau und seinen drei Kindern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden alle fünf mit einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam nach ca. 87-stündiger Fahrt am 24. Juli 1942 gegen 6.45 Uhr, pünktlich zum Dienstbeginn der Mordkommandos,  in Minsk an.

Mit diesem Transport wurden alle noch in Rosbach lebenden jüdischen Personen „nach dem Osten evakuiert“. Über ihr Schicksal bleiben sie bis vor ihrem Tod im Ungewissen. Ausgenommen von der Deportation waren nur solche, die in „Mischehe“ lebten oder „Mischlinge“ waren, wie es im damaligen Amtsjargon hieß.

Der Zugführer eines Erschießungskommandos in Minsk notierte in seinem Tätigkeitsbericht „gewissenhaft“: „Am 21., 22. und 23. Juli werden neue Gruben ausgehoben. Am 24.7. trifft bereits wieder ein Transport mit 1000 Juden aus dem Reich hier ein.“ Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt. Doch den Ermordeten war die ungestörte letzte Ruhe nicht vergönnt. Beim Herannahen der Roten Armee im Herbst 1943 wurden im Rahmen der sog. „Enterdungsaktion“ die Gruben geöffnet, die Leichen herausgeholt und auf Scheiterhaufen verbrannt. Ihre Asche wurde zerstreut.

Diese Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente.

Der 5. Stolperstein in Windeck wurde von Gunter Demnig zur Erinnerung an Julius  Simon am Samstag, dem 17. September 2011 um ca. 10.30 Uhr in Dattenfeld, Hauptstr. 128 verlegt. Anschließend wurden noch weitere 17 Steine verlegt.
Anweisung

Weitere Informationen sind zu finden in dem Artikel von Monika Grübel: „Landjuden -ein Leben zwischen Land und Stadt“ (Aus: „Unwiederbringlich vorbei“ hrsg. von Cl. M. Arndt) und im Archiv des Rhein-Sieg-Kreises. 

Stolperstein Nr. 4 : Meta Blumenthal

Wer erinnert sich an Meta Blumenthal?
Blumenthal Haus SachsenhausenWohn- und Geschäftshaus der Familie Weiler/Blumenthal in Sachenhausen

Meta Weiler wurde  am 14.12.1890 in Sachsenhausen im Kreis Waldeck (Nordhessen) geboren.  Sie heiratete Eduard Blumenthal aus Ruppertshofen und brachte in Sachsenhausen die beiden Mädchen Betty und Elfriede zur Welt. Die Familie erbte 1933 das Wohn- und Geschäftshaus der unverheirateten Tante Emilie Weiler am Marktplatz (siehe Foto) und das Stammhaus der Familie Weiler in der Wildungerstr. 8.  „Den jüdischen Geschäftsleuten wurde (1934) untersagt, ihr Geschäft weiter zu betreiben. Befreundete Sachsenhäuser kauften weiter an der Hintertür, bis die Vorratslager ausverkauft waren!“

(Zitat aus: 175 Jahre jüdische Mitbürger.  In: Magistrat der Stadt Waldeck Festausschuss (Hrsg.): Sachsenhausen – 750 Jahre Stadtrechte. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart. Korbach 1995. S. 91-97).

Gedenktafel für die Jüdische Gemeinde Sachsenhausen

Gedenktafel für die Jüdische Gemeinde Sachsenhausen

Nun verkaufte die Familie Blumenthal wohl notgedrungen ihren Besitz in Sachsenhausen und zog nach Herchen, Ortsteil Niederalsen (heute Windeck). Der Grund ist nicht bekannt, möglicherweise  hofften sie, hier mehr vor Verfolgungen geschützt zu sein, oder von hier auswandern zu können. Eventuell hatten sie hier auch verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verbindungen.

Meta Blumenthals Bruder Julius Weiler war 1915 im 1. Weltkrieg gefallen . Sie hatte noch zwei Brüder: Max und Hermann Weiler, deren Schicksal bisher unbekannt ist.

Meta war eine große schlanke Frau, die in Niederalsen offenbar beliebt war und auch ohne Lebensmittelkarten durch die mutige Hilfe der Bevölkerung ihre Familie ernähren konnte. Sie hatte auch Ziegen und einen kleinen Gemüsegarten.

Meta Blumenthal wurde im Jahr 1941 mit ihrer Familie aus Niederalsen nach Rosbach ausgewiesen. Juden durften nicht mehr in einem Haus wohnen, welches Nichtjuden gehörte oder in dem auch Nichtjuden wohnten. Die Familie zog wie auch die Familie Simon aus Dattenfeld in das kleine Haus von Max Seligmann in der Bergstr. 9.

Meta Blumenthal wurde am Montag, dem 20.7.1942, mit ihrem Mann Eduard und ihren beiden Kindern Betty und Elfriede um 10 Uhr vom Sammelplatz  am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden sie mit einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam am 24.7.1942 gegen 6.45 Uhr in Minsk an. Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt.

Die Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente und Informationen aus Internetseiten (alemannia judaica, wikipedia) sowie von Geschichtsforschern aus Sachsenhausen.

Der 4. Stolperstein in Windeck wurde von Gunter Demnig zur Erinnerung an Meta Blumenthal am Samstag, dem 17.9.2011, um ca. 10 Uhr in Niederalsen, Grummertwiese, unter der Beteiligung der Bürger verlegt. Die Patenschaft hat die Dorfgemeinschaft Alsen.

Stolperstein Nr. 3 : Eduard Blumenthal

Wer erinnert sich an Eduard Blumenthal ?

Eduard Blumenthal wurde am 18. August 1887 als Sohn des Viehhändlers Joseph Blumenthal und der Amalie Blumenthal geb. Akermann in Ruppertshofen geboren.

Im 1. Weltkrieg musste Eduard bereits ab dem 2. Tag der Mobilmachung im Jahr 1914 in die Armee einrücken: Er überlebte den Krieg, während sein Bruder Moriz fiel.

Milian Blumenthal, ein Bruder von Eduard, konnte rechtzeitig nach Amerika auswandern und überlebte den Holocaust.

Milian Blumenthal, ein Bruder von Eduard, konnte rechtzeitig nach Amerika auswandern und überlebte den Holocaust.

Eduard Blumenthal heiratete nach Sachsenhausen, Kreis Waldeck in Nordhessen; Meta Weiler wurde seine Frau. In Sachsenhausen betrieb er einen Kleinwarenhandel und dort wurden seine beiden Töchter geboren. Von dort floh er 1934 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten hierhin nach Windeck-Niederalsen.

„Seit etwa 1934 wohnte Eduard Blumenthal mit seiner Frau Meta und seinen beiden Töchtern Betti und Elfriede bei uns in Niederalsen. Er ging täglich im schwarzen Anzug zum Bahnhof nach Herchen, um mit dem Zug zur Arbeit zu fahren.“ „Vermutlich betrieb er anfangs in Eitorf einen kleinen Laden.“ „Seiner Familie wurde in Niederalsen in der Pogromnacht 1938 keine Gewalt angetan.“

„Ich erinnere mich, dass damals erzählt wurde, Leuscheider Nazzis seien in der Pogromnacht nach Rosbach gefahren mit den Worten: „…wir fahren nach Rosbach, da schlagen sie den Juden die Wohnungen kaputt!“. „Bei uns arbeiteten im 2. Weltkrieg zeitweise die jüdischen Männer Eduard Blumenthal, Albert Simon, Max Seligmann (II), Sigmund Seligmann und 8 russische Zwangsarbeiter im Betrieb. Die Juden waren froh, bei uns in der Firma Gebrüder Langen in Schladern auf Vermittlung eines Dattenfelder kath. Geistlichen unterzukommen, da die Firmenleitung und die Arbeiter (bis auf einen einzigen) keine Nazzis waren. So waren sie wenigstens im Betrieb vor Misshandlungen geschützt. Denn Hilterjungen bewarfen sie auf der Straße mit Steinen. Und viele andere Betriebe hatten eine nationalsozialistische Leitung. So hing über Elmores ein braunes Tuch, wie wir damals sagten. Da wäre es ihnen schlechter ergangen als bei uns. Die Juden waren zur Arbeit zwangsverpflichtet und durften ihrem ursprünglichen Beruf nicht mehr nachgehen.“

1941 wurde Eduard mit seiner Familie von den Nationalsozialisten aus der gemieteten Wohnung nach Rosbach ausgewiesen und musste bei Max Seligmann einziehen, da Juden nicht mehr in nichtjüdischen Häusern wohnen durften. Am Montag, dem 20.7.1942, wurde Eduard Blumenthal mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden sie einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam am 24.7.1942 gegen 6:45 Uhr in Minsk an. Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt.

Diese Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente.

Der 3. Stolperstein in Windeck wurd von Gunter Demnig zur Erinnerung an Eduard Blumenthal am Samstag, dem 17.9.2011 um ca. 10 Uhr in Niederalsen, Grummertwiese, unter Beteiligung der Bürger verlegt. Die Patenschaft hat die Dorfgemeinschaft Alsen.

Stolperstein Nr. 2 : Elfriede Blumenthal

Wer erinnert sich an Elfriede Blumenthal?

Elfriede Blumenthal wurde am 19.3.1930 als Tochter von Eduard Blumenthal und Meta Blumenthal geb. Weiler in Sachsenhausen/Kreis Waldeck-Frankenberg geboren.

Elfriede BlumenthalUm der Verfolgung zu entgehen, verließ sie mit ihrer Familie ihren Heimatort und zog nach Niederalsen in der damaligen Gemeinde Herchen.

„Im April 1936 wurde ich zusammen mit Elfriede Blumenthal in Schneppe eingeschult. Ich war auf ihre schönen schwarzen Haare neidisch; sie hatte so eine Art Bubikopf-Haarschnitt. Ich habe viel mit Elfriede gespielt. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP riet meinen Eltern an, den Kontakt mit den Blumenthal-Kindern abzubrechen. Meine Eltern und ich, wir haben das nicht beachtet.

An dem Tag, als die Blumenthal-Kinder der Schule verwiesen wurden, war ich schon vor Elfriede in der Schule. Der Lehrer sprach mich an: ‚Du kennst doch die Elfriede gut. Gehe ihr entgegen und sage ihr, dass sie nicht mehr zur Schule kommen darf.’ Ich tat dies. Als Elfriede dies hörte, drehte sie sich wortlos um und ging nach Hause.“

In der Mitte, 2. Reihe: Elfriede Blumenthal
        In der Mitte, 2. Reihe: Elfriede Blumenthal

„Es muss etwa 1941 gewesen sein: Die jüdischen Nachbarskinder Betti und Elfriede erzählten mir auf der Dorfstraße, sie würden bald nach Hamburg fahren und dort von englischen Kriegsschiffen abgeholt. Ich war etwa 11 Jahre alt und lachte die Kinder aus, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass mitten im Krieg feindliche Schiffe einfach so in Hamburg ankern würden. Mir klang die Propaganda des Naziregimes von Erfolgen deutscher U-Boote in den Ohren. Erst nach dem Krieg habe ich die schreckliche Wahrheit über das Schicksal der Juden erfahren. Da erst habe ich verstanden, dass die englischen Schiffe der letzte Hoffnungsschimmer für die Kinder gewesen waren, und ich habe darüber gelacht. Als den Juden die Lebensmittelkarten gestrichen wurden, hatten Alsener Bauern sowie Eitorfer Bürger die Familie Blumenthal unterstützt.“ (Erich Schürger)

„Wir stellten für die Blumenthals immer abends eine Kanne mit Milch an einen bestimmten Ort. Diese wurde dann nachts geholt. Am anderen Morgen war dann die Kanne leer. Eines Morgens war die Kanne aber noch voll. Meine Mutter sagte: ‚Jetzt ist es passiert.’“

Die Hoffnung der Kinder auf Rettung erfüllte sich leider nicht. Denn am Montag, dem 20.07.1942 wurde Elfriede mit ihrer Schwester und ihren Eltern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Vor dort wurden sie mit einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam am 24.07.1942 gegen 6.45 Uhr in Minsk an. Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt. Da war Elfriede gerade 12 Jahre alt.

Diese Zeitzeugenberichte aus Niederalsen wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente. 

Der 2. Stolperstein in  Windeck wurde von Gunter Demnig zur Erinnerung an Elfriede Blumenthal am Samstag, dem 17.09.2011 um ca. 10 Uhr in Niederalsen, Grummertwiese, unter der Beteiligung der Bürger verlegt. Die Patenschaft hat die Dorfgemeinschaft Alsen.