Stolperstein Nr. 8 : Norbert Simon

Wer erinnert sich an Norbert Simon?

„Als die Hebamme Frau Ranke aus Dattenfeld im Jahr 1935 kurz vor der Entbindung Irma Simon besuchte, da sie ihr wie jeder anderen Frau bei der Geburt beistehen wollte, gab es ein Problem. Der Funktionär der Nationalsozialisten aus Dreisel drohte der Hebamme, sie anzuzeigen und bestrafen zu lassen, wenn sie der werdenden Mutter, die jüdischen Glaubens war, helfen würde. Doch die mutige Hebamme hatte resolut geantwortet, dass sie sich von so einem wie ihm nichts verbieten lassen würde. Sie führte trotz Verbots sowohl die Vor- und Nachbereitung als auch die Geburtshilfe durch.“ So kam Norbert Simon am 21. August gesund zur Welt und wuchs mit seinen Geschwistern in Dattenfeld auf.

„Norbert spielte mit uns Kindern wie alle anderen Kinder in der Nachbarschaft auch. Er war im Verhältnis zu Gleichaltrigen eher klein. Da seine Eltern nur halbe oder gar keine Lebensmittelkarten bekamen, halfen alle Nachbarn mit Lebensmitteln aus.“

Mit sechs Jahren, zu Ostern 1942, wäre Norbert in Dattenfeld eingeschult worden, wenn seine Eltern nicht zufällig den „falschen“ Glauben gehabt hätten. Den jüdischen Glauben aber nahmen die Nationalsozialisten zum Vorwand, um ihren Unrechtsstaat durch Aneignung jüdischen Vermögens zu bereichern und sich damit bei sogenannten „arischen“ Familien z.B. durch Unterstützung der Volkswohlfahrt einzuschmeicheln. So musste Norbert schon im Jahr 1941 nach einer Amtsverfügung Dattenfeld verlassen und wurde mit anderen jüdischen Familien zur Vorbereitung der Deportationen in einem sogenannten „Judenhaus“ in Rosbach in der Bergstraße eingepfercht. Die Zugfahrkarten der Reichsbahn für die Fahrt von Norbert und seinen Geschwistern in den Tod nach Minsk mussten die Eltern wie alle Deportierten selbst bezahlen.
Als Norbert klein war, lebten auch seine Großeltern Simon Simon (gebürtig aus Dahlhausen) und Amalie Simon (gebürtig aus Grenzhausen) noch in Rosbach an der Bergstraße. Die Großeltern mussten mit ansehen, dass ihre Enkel im nationalsozialistischen Staat keine Zukunft und keine beruflichen Chancen hatten. Anfang 1938 starb der Opa und 1939 einige Monate nach den Pogromen starb die Oma von Norbert und seinen Geschwistern.

Am Montag, dem 20.7.1942, wurde Norbert Simon mit seinen Eltern und Geschwistern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Vor dort wurden alle fünf mit einem Transport von ca. 1.064 Menschen „nach dem Osten evakuiert“, wie die Nationalsozialisten ihren Mordplan nannten (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam nach 87-stündiger Fahrt am 24.7.1942 gegen 6:45 Uhr „pünktlich“ zum Dienstbeginn des Mordkommandos in Minsk an. Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag in Gaswagen getötet oder im Wäldchen von Blagowschtschina bei Minsk erschossen und in Gruben verscharrt. Da war Nobert noch keine sieben Jahre alt.

Diese Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente.
Der 8. Stolperstein in Windeck wurde von Gunter Demnig am 17.9.2011 in Dattenfeld, Hauptstr. 128, zur Erinnerung an Norbert Simon unter großer Beteiligung der Bürgerschaft verlegt.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ (Gunter Demnig)

Bei der ersten Stolpersteinverlegung in Windeck wurden am Samstag, dem 17.9.2011, an 5 Stellen 22 Stolpersteine verlegt. 9 Steine hiervon erinnern an die Namen von Kindern und Jugendlichen, die ermordet wurden.

Wir danken allen Spendern der 22 Steine, die durch die Übernahme einer Patenschaft diese Aktion gegen das Vergessen möglich gemacht haben. Sehr gefreut hat uns , dass sich neben der Dorfgemeinschaft Alsen und vielen Privatpersonen auch alle Fraktionen der im Gemeinderat vertretenen Parteien, Geschäftsleute, Grundschulen (Dattenfeld und Rosbach) und die ev. Kirchengemeinde Rosbach beteiligt haben. Ebenso bedanken wir uns bei Herrn Adolph vom Bauhof für seine tatkräftige Unterstützung.
Die bewegenden oder mahnenden Wortbeiträge und die Blumen von unseren Bürgermeistern Jürgen Funke und Dirk Bube, von den Ratsvertretern Frank Steiniger und Dieter Vollmer, von Pfarrer Pollmann, Schauspielerin Sabine Berg und von den Bürgern, auch von Zeitzeugen der Nazidiktatur und von Schulkindern gaben der Verlegung der Erinnerungssteine einen würdevollen Rahmen. Nun bleibt den Paten und Vorübergehenden, die Steine ab und zu blankzuputzen, damit sie glänzen und besser sichtbar bleiben.

Wer weitere Zeitzeugenberichte oder Fotos zum Leben der Familie Simon oder zu anderen Verfolgten des Nazi-Regimes beisteuern kann oder sich an der 2. Verlegung von Stolpersteinen im April 2012 beteiligen möchte, meldet sich bitte bei
Annemarie Röhrig, Tel. 3822 annemarie.roehrig(at)gmx.de
Raimund Weiffen, Tel. 4687 Raimund.Weiffen(at)t-online.de