Stolperstein Nr. 6 : Gertrud Simon

Wer erinnert sich an Gertrud Simon?Gertrud Simon 1936

Gertrud Simon, genannt „Trudi“,  wurde am 31.8.1928 in Dattenfeld geboren. Sie wurde Ostern 1935  in der katholischen Volksschule in Dattenfeld eingeschult. „In der Nachbarschaft war sie immer dabei, wenn die Kinder zusammen spielten, ebenso ihre jüngeren Brüder Heinz und Norbert. Es gab zwischen uns Kindern nie Probleme.“

„Gelegentlich wurde Trudi von Schulkameradinnen mit einem Butterbrot versorgt. Im Winter durfte sie in der Schule immer dicht am Ofen sitzen, da sie so fror.“

„Ihre Familie gehörte zu den ärmeren Familien im Dorf. Als die Nationalsozialisten den jüdischen Kindern (ab dem 15.11.1938) verboten, weiter gemeinsam mit nichtjüdischen Kindern in die gleiche Schule zu gehen, fuhr Gertrud per Zug mit ihrem Bruder Heinz  nach Siegburg zur jüdischen Schule.“

„Wenn ich morgens mit dem Zug von Schladern zur Handelsschule fuhr, stiegen in Dattenfeld die jüdischen Kinder von Simons ein, um zur Schule nach Siegburg zu fahren. Irgendwann sah ich sie dann nicht mehr im Zug.“

„Als ich 1941 mit dem Zug mittags aus der Schule von Eitorf nach Hause fuhr, war Trudi immer mit im Zug; sie kam aus Siegburg und fuhr weiter nach Rosbach. Trudi trug den Judenstern.“

1941 musste Gertrud mit ihrer Familie aus der Wohnung in Dattenfeld ausziehen, weil Menschen jüdischen Glaubens nach einer Verordnung des Naziregimes nicht mehr in Häusern mit nichtjüdischen Menschen zusammen wohnen durften. So verlor Gertrud nach ihren Klassenkameraden auch ihre Freunde und Freundinnen aus der Nachbarschaft. Sie musste mit ihrer Familie und mit der Familie Blumenthal in das kleine Haus bei Seligmanns in der Bergstr. einziehen.

Ab dem 20.6.1942 wurden alle jüdischen Schulen geschlossen, sodass die jüdischen Kinder im Kreis gar nicht mehr zur Schule gehen konnten. Doch die jüdischen Kinder in unserer Gemeinde, die seit 1941 ja alle in Rosbach wohnten, konnten spätestens vom 24.4.1942 nicht mehr nach Siegburg zur Schule fahren, da es Juden von den Nationalsozialisten untersagt worden war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Von da an bis zum 20.6.1942 gingen die jüdischen Kinder, die in Rosbach konzentriert worden waren, eine kurze Weile in die Volksschule in Rosbach.  „Wir waren 1941 beim Lehrer Ries eingeschult worden. Wir können uns daran erinnern, dass dann eine kurze Zeit lang rechts etwas weiter hinten und getrennt von den anderen Kindern einige jüdische Kinder saßen, die in der 1. bis 4. Klasse waren und Judensterne trugen. Wir mussten uns von denen fern halten.“ Das müssten Edith Seligmann, Lothar Simon und Gertruds Bruder Norbert Simon gewesen sein. Die Eltern der jüdischen Kinder hatten wohl auf der Pflicht und dem Recht des Schulbesuchs bestanden, die ja grundsätzlich nicht aufgehoben worden waren. Das Naziregime gaukelte der Bevölkerung ja vor, dass die jüdischen Kinder mit ihren Eltern nur umgesiedelt werden würden und sie dann in ihrer neuen Heimat im Osten Berufe erlernen und ausüben könnten. Wohl um die Bevölkerung nicht misstrauisch gegenüber der Lügenpropaganda zu machen und Aufruhr zu vermeiden, gab man dem Wunsch nach dem Schulbesuch der Eltern für ihre jüdischen Kinder in Rosbach bis zu ihrer geheim geplanten Deportation in den Tod nach. Eingetragen in die Schulrolle wurden die Kinder für die paar Monate Schulbesuch dann aber scheinbar nicht mehr. Ob die älteren jüdischen Kinder in der Zeit in der oberen Klasse waren, ist bisher nicht bekannt.

Am Montag, dem 20.7.1942, wurde Gertrud Simon mit ihren Eltern und den beiden Brüdern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden alle fünf mit einem Transport von ca. 1064 Menschen nach Minsk deportiert (Abfahrt ca. 15 Uhr). Der Zug kam nach ca. 87-stündiger Fahrt am 24.7.1942 gegen 6.45 Uhr, pünktlich zum Dienstbeginn des Mordkommandos, in Minsk an. Der Zugführer eines Erschießungskommandos in Minsk notierte in seinem Tätigkeitsbericht „gewissenhaft“: „Am 21., 22.,23.7. werden neue Gruben ausgehoben. Am 24.7. trifft bereits wieder ein Transport mit 1000 Juden aus dem Reich hier ein.“

Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag ermordet und in Gruben verscharrt. Da war Gertrud noch keine 14 Jahre alt.

„In der Zeit stand mein Vater mit Max Seligmann I. (ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Rosbach) bei uns in Dattenfeld am Gartenzaun. Beide Männer waren zusammen Soldat im 1. Weltkrieg gewesen und Max Seligmann sagte traurig und enttäuscht zu meinem Vater: ‚Ja, Heinrich, dafür haben wir damals gestanden“.

Diese Zeitzeugenberichte  wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente. 

Der 6. Stolperstein in Windeck wurde von Gunter Demnig zur Erinnerung an Gertrud Simon am Samstag, dem 17.9.2011, in Dattenfeld, Hauptstr. 128, verlegt.