Wer erinnert sich an Heinz Simon?
Heinz Simon wurde am 9. Juli 1930 als zweites Kind von Julius und Irma Simon in Dattenfeld geboren. Er wurde Ostern 1937 in Dattenfeld in der kath. Volksschule eingeschult. Er war klein und schmächtig wie seine Schwester Trudi. Lange durfte er nicht in Dattenfeld mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft in die Schule gehen.
Nach den Pogromen gegen die Juden im November 1938, als die „Nazis“ (mit kurzem a gesprochen, wie sie hier abfällig genannt wurden) aus Dreisel und Rosbach die Wohnung seiner Familie verwüsteten und seinen Vater vor seinen Augen verschleppten, durften aufgrund einer nationalsozialistischen Verordnung jüdische Kinder nicht mehr gemeinsam mit nichtjüdischen Kindern in die Schule gehen. Heinz musste mit 8 Jahren wie seine Schwester jeden Tag mit dem Zug nach Siegburg fahren, um dort in die jüdische Schule zu gehen.
Nachdem seine Familie 1941 von der nationalsozialistischen Gemeindeverwaltung aus der Wohnung in Dattenfeld verwiesen wurde, weil Menschen jüdischen Glaubens nicht mehr mit nichtjüdischen Menschen zusammen in einem Haus wohnen durften, wurde er mit seiner Familie und anderen jüdischen Mitbürgern in ein so genanntes „Judenhaus“ in der Bergstraße in Rosbach zwangseingewiesen. Die Dattenfelder Wohnungseinrichtung fiel an das Reich.
„Ich erinnere mich noch daran, wie meine Mutter damals die Hände vor ihr Gesicht hielt und zu uns Kindern sagte: „Jetzt haben sie die jüdische Familie hier aus Dattenfeld auch abgeholt.“ In dieser Zeit bereicherte sich der nationalsozialistische Staat systematisch an dem Vermögen der Juden und der Arbeitskraft der Zwangsarbeiter, um seinen verbrecherischen Krieg zu finanzieren. Denn 1941 griff das Deutsche Reich unter Missachtung des Nichtangriffspaktes Russland an, was in den Augen vernünftiger Menschen schon als Werk eines Verrückten galt.
„Ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater 1941 in Schladern im Radio von dem Angriff auf Russland erfahren hatte und zu mir sagte: „Jetzt hat er verloren, Russland ist zu groß!“ Mit „er“ meinte er Hitler: Mein Vater nahm dessen Namen nie in den Mund, er sagte nur „er“ oder „der Verbrecher“. Mein Vater war 1914 mit 18 Jahren in die Wehrmacht eingezogen, ausgebildet und in Russland im Krieg eingesetzt worden. Nach vier Jahren fern vom Elternhaus kehrte er 1918 mit 22 Jahren aus Russland heim. Durch Erfahrung klug geworden durchschaute er als einfacher Arbeiter Hitlers Propaganda und wusste von Anfang: „Der will nur Krieg“.
Am Montag, dem 20. Juli 1942, wurde Heinz Simon mit seinen Eltern und Geschwistern um 10 Uhr vom Sammelplatz am Rosbacher Bahnhof nach Köln-Deutz gebracht. Von dort wurden alle fünf mit einem Transport von ca. 1064 Menschen „nach dem Osten evakuiert“, wie die Nationalsozialisten ihren Mordplan nannten (Abfahrt ca. 15:00 Uhr). Der Zug kam nach 87-stündiger Fahrt am 24. Juli 1942 gegen 6:45 Uhr „pünktlich“ zum Dienstbeginn des Mordkommandos in Minsk an. Soweit heute bekannt ist, wurden alle Personen noch am selben Tag in Gaswagen getötet oder an Gruben im Wäldchen von Blagowschtschina bei Minsk erschossen und in Gruben verscharrt. Da war Heinz gerade 12 Jahre alt.
Diese Zeitzeugenberichte wurden vom Zeitzeugenforum ergänzt durch Angaben amtlicher Dokumente. Der 7. Stolperstein in Windeck wird von Gunter Demnig zur Erinnerung an Heinz Simon am Samstag, dem 17. September 2011, in Dattenfeld, verlegt.
Wer weitere Zeitzeugenberichte oder Fotos zum Leben der Familie Simon oder zu anderen Verfolgten des Nazi-Regimes beisteuern kann, meldet sich bitte bei Annemarie Röhrig, Tel. 3822 annemarie.roehrig(at)gmx.de Raimund Weiffen, Tel. 4687 Raimund.Weiffen(at)t-online.de