Stolperstein Nr. 63 : Alma Sussmann

Wer erinnert sich an Alma Sussmann geb. Enders ?

Stein 63 Alma Sussmann Geburtshaus

Alma Enders wurde am 5. Dezember 1901 in Rosbach-Seifen als Tochter von Karl Enders und Emilie Enders geb. Roetzel geboren. Ihr Vater war Fabrikarbeiter. Sie lebte mit ihren Eltern, ihrem Bruder und den beiden Schwestern Hedwig und Erna (später verheiratet Sperber) in dem Fachwerkhaus, welches früher direkt an der Hurster Str. in Höhe der Hausnummer 26 stand. Der vordere Teil des längsgeteilten Doppelhauses gehörte 1940 Almas Mutter, der Vater war da schon verstorben. Später gehörte es Karl Hofmeier und 1979 wurde es abgerissen.

Alma wurde evangelisch getauft und am 16. April 1916 durch Pfarrer Schumacher konfirmiert. Sie verliebte sich in Georg Sussmann, der jüdisch war, und heiratete ihn am 25. Januar 1930 auf dem Standesamt in Rosbach. Sie zog zu ihm nach Köln-Lindenthal, wo Georg 1930 ein schlichtes Zweifamilienhaus gekauft hatte. Schon am 7. Dezember 1930 gebar Alma in Lindenthal die gemeinsame Tochter Liselotte. Zunächst hatte die junge Familie einen guten Start. Die Geschäfte ihres Ehemannes, der selbstständiger Handelsvertreter im Textilgewerbe war, liefen gut.

Doch schon bald im Jahr 1933 begannen die Schwierigkeiten im Leben, die das Naziregime und dessen Anhänger ihrer Familie machten.

Durch Boykott der jüdischen Geschäfte gingen die Einkünfte stark zurück und Alma hatte unter der Hetze der Nazis gegen Mischehen zu leiden, die in dem sogenannten Blutschutzgesetz mündeten. Die allein bis 1936 erlassenen ca. 500 Gesetze und Verordnungen gegen die Juden schädigten ihren Mann sowie ihre Tochter und sie selbst. Im September wurden die sogenannten „Nürnberger Gesetze“ erlassen: Kinder wie Liselotte aus jüdisch-christlichen „Mischehen“ galten als „Mischlinge 1. Grades“, völlig unabhängig davon, ob etwa die jüdische Mutter christlich getauft war, galt die Taufe den Nazis doch nur als „Tarnung“. Auf die nichtjüdischen Ehepartner von Juden wurde in schlimmer Menschenverachtung Druck ausgeübt, sich von ihren jüdischen Ehepartnern zu trennen.

Mit dem „Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung“ vom Juli 1938 verloren alle selbstständigen Juden ihren Gewerbeschein. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 und in den Tagen danach brannten nicht nur die Synagogen, wurden jüdische Friedhöfe und Wohnungen verwüstet, es wurden auch 30.000 jüdische Männer verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und dort zutiefst gedemütigt. Auch Almas Mann Georg wurde in das KZ Dachau verschleppt und Alma war mit ihrer Angst und ihrer Tochter alleine.

Als Georg Ende Dezember glücklicherweise zurückgekommen war und nicht im KZ gestorben war wie sein Bruder, ging es weiter mit der Verordnung, dass die Kennkarten der Juden mit einem „J“ gekennzeichnet wurden und die Männer alle den Vornamen Israel und die Frauen den Namen Sara annehmen mussten. So hieß ihr Mann jetzt Georg Israel Sussmann, für die Behörden immer erkennbar als Jude. 1938 wurden ihm wie allen Juden der Führerschein und die KFZ-Zulassungspapiere entzogen. Er durfte seine Wohnung nicht mehr vermieten, durfte ab September 1939 nicht mehr nach 20 Uhr die Wohnung verlassen und musste das Radio der Familie abgeben. Somit konnte Alma mit ihrem Mann nicht mehr ausgehen und viele Orte nicht mehr aufsuchen. Das Haus musste weit unter Wert verkauft werden und eine Mietswohnung bezogen werden.  Wie schlimm muss es für Alma wohl gewesen sein, zu erleben, dass ihr geliebter Mann nun als „Feind“ im eigenen Land galt.

„Seitens der Staatspolizei in Köln erging (…) am 12. Mai 1941 folgende Anordnung: ‚Diejenigen Juden, die noch in arischen Häusern wohnen, haben diese bis zum 1. Juni 1941 zu räumen.’“ (Manfred van Rey: Die Vernichtung der Juden in Bonn).

Auch jüdische „Mischehepartner“ mussten ab dem 1.9.1941 den Judenstern tragen, damit jeder mit dem Finger auf den „Feind“ zeigen konnte. Wie mag Alma sich da gefühlt haben?

Wegen all dieser widrigen Umstände zog es Alma vor, mit ihrer Familie im April 1942 nach Rosbach-Seifen in ihr Elternhaus zu ziehen, da sie dort im Haus der Mutter zunächst mehr Sicherheit erhoffte.

Doch auch hier drohte die Verfolgung: Alle Juden, auch die, die  in „Mischehe“ lebten und ihre Kinder, wurden nun von der Gestapo am 12. September 1944 einbestellt, verhaftet und über Köln-Müngersdorf in Arbeitslager verbracht und ihre nichtjüdischen Ehepartner bekamen ein Aufenthaltsverbot für das Rheinland. Doch Alma tauchte Ende August 1944 mit ihrer Familie rechtzeitig vor der Verhaftung in die Illegalität unter. Alle  drei wurden in Königswinter im ev. Pfarrhaus bis zum 8. März 1944 auf dem Dachboden versteckt und verbrachten die letzten Kriegswochen bis zur Befreiung unerkannt unter anderen Flüchtlingen im Godesberger Bunker. Nach dem Krieg lebte Alma mit ihrer Familie in Bad Godesberg.

Alma erhielt nach dem Tod ihres Mannes eine kleine Witwenrente. Gesundheitlich war sie seit der schlimmen Zeit der Verfolgung sehr angeschlagen, sie litt unter Herzunruhe, Schwindel, Beklemmungen in der Herzgegend und Nervosität. Sie starb in Bonn am 12. Februar 1976 mit 74 Jahren.

Text: Annemarie Röhrig. Diese Zeitzeugenberichte wurden durch Informationen aus Archiven in Rosbach, Siegburg, Bonn, Duisburg ergänzt.

Der 63. Stolperstein wurde von Gunter Demnig für Alma Sussmann am 11. März 2016 um ca. 16:30 Uhr in Rosbach, Hurster Str. 26, verlegt.