Stolperstein Nr. 64 : Liselotte Sussmann

Wer erinnert sich an Liselotte Sussmann ?

Stein 64 Liselotte Sussmann FotoLiselotte Sussmann wurde am 7. Dezember 1930 in Köln-Lindenthal als Tochter von Georg Ludwig Sussmann und  Alma Sussmann geb. Enders geboren. Ihre Mutter und sie selbst waren evangelisch, ihr Vater jüdisch. Daher litt die ganze Familie ab 1933 unter dem Hass und der Hetze der Nazis sowie unter den antijüdischen Gesetzen, die das Naziregime erließ.

Den Nazis galt Liselotte als Halbjüdin und es war ihr als „Geltungsjüdin“ nicht erlaubt, ein Gymnasium zu besuchen. „Im September 1941 vermochte sie unter Geheimhaltung ihrer Abstammung in die Königin-Luisen-Schule von Köln aufgenommen zu werden. Diese Schule besuchte sie bis April 1942.“ Nach dem Umzug nach Rosbach-Seifen besuchte sie bis Ende August 1944 die städtische Oberschule für Mädchen in Siegburg (Vorläufer des städtischen Mädchengymnasiums in der Alleestr.) „Um den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen, lebte sie seit diesem Zeitpunkt illegal. Erst im Herbst 1945 besuchte sie wieder die Höhere Schule“, nämlich die Studienanstalt St. Antonius in Bad Godesberg (späterer Name Klara-Fey-Gymnasium), von der sie nach der 10. Klasse abging. Liselotte  „beabsichtigte (zunächst), neue Sprachen zu studieren, um später als Philologin tätig zu sein.“ Nach dem Abgang vom Gymnasium beabsichtigte sie, das Dolmetscherexamen in Französisch, Spanisch usw. abzulegen, um später als Dolmetscherin tätig zu sein, wie der Vater nach dem Kriege beim Amt für Wiedergutmachung berichtete. Tatsächlich bekam sie eine gute Arbeitsstelle als Sekretärin  bei den Vereinten Nationen (UNO) in Bad Godesberg.

Ein Zeitzeuge, der aus Rosbach-Wardenbach stammte, aber nur bis 1939 in Rosbach war, da er dann zur Wehrmacht ging und erst 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, erinnert sich an Familie Sussmann, wenn sie aus Köln zu Besuch bei den Verwandten war. Er beobachtete vor 1939, dass die Familie sich mit einem Hartkant Seife draußen an der Pumpe vor dem Haus wusch.

Er erinnert sich auch, dass Alma dunkelblonde Haare hatte, dass ihr Mann groß und dunkelhaarig war, dass Vater Sussmann in Köln arbeitete und von Rosbach-Seifen aus gerne spazieren ging. Liselottes Vater waren offensichtlich Hygiene und frische Luft wichtig.

Ab 1942 bis 1944 wohnte Liselotte mit ihren Eltern hier in Rosbach bei der Oma Enders, also im Elternhaus ihrer Mutter. Das war der vordere Teil des Doppelhauses in Höhe der Hurster Str. 26. Das langgestreckte Fachwerkhaus stand nah an der Straße und wurde 1964 abgerissen. Dahinter wurde ein neues Haus gebaut.

Liselotte fuhr in ihrer Rosbacher Zeit jeden Tag mit dem Zug zur Schule bis nach Siegburg. Eine Zeitzeugin aus Rosbach, die 1942 bis 1945 nach Eitorf zur Mittelschule fuhr, erinnerte sich, dass Liselotte im gleichen Zug wie sie fuhr und dass sie schönes schwarzes zurückgekämmtes Haar hatte. Der Zeitzeugin tat das nette Mädchen damals sehr leid, weil es ja durch das Tragen des Judensterns „gebrandmarkt“ gewesen war.

Anfang September 1944, als alle noch in Deutschland lebenden Mitbürger, die jüdischen Glaubens waren oder von den Nazis als Juden bezeichnet wurden, samt ihrer nicht jüdischen Familienangehörigen zur Gestapo bestellt wurden, in Sammellagern interniert und von da aus in Arbeitslager oder Konzentrationslager deportiert wurden, tauchten die Eltern mit Liselotte rechtzeitig unter und lebten illegal. Sie wurden von mutigen Menschen sieben Monate lang in der Dachkammer des evangelischen Pfarrhauses in Königswinter versteckt und versorgt. Schließlich hausten sie im Chaos der letzten Kriegswochen bis zur Befreiung vom Nationalsozialismus noch einige Wochen im Godesberger Bunker – unerkannt unter anderen Bürgern, Ausgebombten und Flüchtlingen.

Liselotte starb am 7. November 1980 mit fast 50 Jahren in ihrer Wohnung in Bad Godesberg. Sie hatte sich 4 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter durch Erhängen das Leben genommen. Ihr Vater war schon 1959 gestorben. 12 Jahre ihres jungen Lebens im Alter von 3 bis 15 Jahren  hatte sie unter Verfolgung, Entrechtung und Erniedrigung zu leiden und zu leben: Das hatte seine Spuren hinterlassen. Sie war schwermütig und konnte ihren Wunsch nach glücklicher Liebe und eigenen Kindern nicht erfüllen. Bevor sie sich das Leben nahm,  hatte sie noch einige Briefe geschrieben und verschickt. Ihre Schulfreundin Annemarie Ohlert schrieb über Liselotte in ihr Tagebuch: „Wir blieben Freundinnen bis zu ihrem frühen Tod. Sie hatte ihre Traumata aus der Nazizeit wohl nie überwunden. Möge sie ruhen in Frieden!“ Sie hatte auch Fotos von Liselotte aufbewahrt und bei einem Zeitzeugengespräch in Königswinter von ihrem Schicksal berichtet. Annemarie lernte Liselotte nach dem Krieg in der Schule kennen. Sie gingen in dieselbe Klasse und wurden dicke Freundinnen , nahmen zusammen Tanzstunden und erlebten viele frohe Stunden gemeinsam. Frau Ohlert beschrieb Liselotte später als vielseitig interessiert und sehr gebildet. Sie hatte auch Liselottes große Familie kennengelernt und mit ihr in Rosbach Tante Erna (verh. Sperber), die Schwester von Alma, besucht. Von Liselottes Verwandten väterlicherseits hatte niemand den Holocaust überlebt. (Text Annemarie Röhrig)

Diese Zeitzeugenberichte wurden durch Angaben aus Ämtern und Archiven ergänzt. Quellen: Stadtarchive Bonn und Köln, Standesamt Windeck, Hist. Verein Rosbach, http://www.virtuellesbrueckenhofmuseum.de/sonderausst/291106.html

Für Liselotte Sussmann wurde der 64. Stolperstein in Windeck von Gunter Demnig am Freitag, dem 11. März 2016, um ca. 16:30 Uhr, in Rosbach vor ihrem letzten freiwilligen Wohnort verlegt.